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Inflation und Deflation

Wenn Geld zur verderblichen Ware wird

Euromünze zerfließt © Composer_Fotolia

»Die Inflation geht jetzt so schnell, daß die Reichsbank mit dem Drucken nicht mehr hinterherkommt. Die neuen Hunderttausender sind erst seit vierzehn Tagen raus – und jetzt müssen bald schon Millionenscheine gedruckt werden. Wann sind es die Milliarden?«

Das fragt Ludwig Bodmer, Ich-Erzähler in Erich Maria Remarques Roman »Der schwarze Obelisk«. Im Oktober des Inflationsjahres 1923 ist es dann soweit mit den Milliardenscheinen. Auf dem Höhepunkt der Inflation kostet ein Ei 320 Milliarden Papiermark.

Volkswirtschaftler behalten heute die Inflationsrate im Blick. Aber was sind eigentlich Inflation und Deflation, wie entstehen sie und was bedeutet das für das alltägliche Leben. Wir haben für euch einen Fachmann im Finanzministerium gefragt:

Mit einfachen Worten erklärt: Was sind Inflation und Deflation?

Als Inflation bezeichnet man den andauernden Anstieg des allgemeinen Preisniveaus. Waren und Dienstleistungen verteuern sich kontinuierlich. Da man sich im Zeitablauf für einen bestimmten Geldbetrag immer weniger kaufen kann, spricht man von Geldentwertung oder Kaufkraftverlust.
Deflation ist das Gegenteil von Inflation. Die Preise für Waren und Dienstleistungen gehen dauerhaft zurück, das Preisniveau sinkt kontinuierlich. Das Geld gewinnt dabei an Wert, denn seine Kaufkraft steigt. Vereinfacht heißt das, morgen bekomme ich dafür mehr als heute.

Wodurch entstehen Inflation und Deflation?

Inflation kann verschiedene Ursachen haben. Sie entsteht z. B., wenn es Anbietern von Waren und Dienstleistungen gelingt, höhere Preise zu verlangen, da die Nachfrage das Angebot übersteigt. Zu Inflation kann es auch kommen, wenn sich Rohstoffe verteuern oder die Löhne steigen und über höhere Preise weitergegeben werden. Voraussetzung ist jeweils, dass für die Nachfrage nach den Waren und Dienstleistungen auch eine ausreichende Menge an Geld vorhanden ist.
Auch eine Deflation kann aus verschiedenen Gründen entstehen. Die Menschen kaufen z. B. weniger ein, wenn sie sich um ihr Einkommen oder ihren Arbeitsplatz sorgen müssen. Die Unternehmen fahren die Produktion zurück, sie müssen die Preise senken und investieren auch weniger. Insgesamt werden dann mehr Waren und Dienstleistungen angeboten, als überhaupt Nachfrage nach ihnen besteht, bzw. mangelt es an Geldmitteln hierfür.

Wenn bei einer Inflation der Wert des Geldes verfällt, verfallen auch die Schulden eines Landes. Klingt doch gar nicht so schlecht? Was bedeutet Inflation für die Menschen?

In der Tat klingt es erstmal verlockend, wenn die Schulden mit der Zeit an Wert verlieren. Denken wir aber an vorhandene Geldvermögen: Eine Inflation entwertet auch die Ersparnisse. Bei den Menschen nehmen die Sorgen um weiter steigende Preise und den Verlust ihrer Sparvermögen rapide zu. Das Vertrauen in den Geldwert kann nach und nach immer mehr verloren gehen – mit weitreichenden Konsequenzen. Preisstabilität ist daher ein hohes Gut. Die Inflation sollte möglichst niedrig sein.

Bei einer Deflation sinken die Preise für Produkte und Dienstleistungen. Auch das klingt auf den ersten Blick ganz gut. Was ist das Problem bei einer Deflation?

Von rückläufigen Preisen können problematische Signale ausgehen. Die Menschen verschieben ihre Einkäufe in die Zukunft, in der Erwartung, für einen bestimmten Geldbetrag später mehr Waren und Dienstleistungen zu bekommen. Die Unternehmen verkaufen und investieren weniger, mögliche Folgen sind Standortschließungen und steigende Arbeitslosigkeit. Die Konsumenten werden noch vorsichtiger, die Kaufzurückhaltung nimmt weiter zu. Die Banken vergeben kaum mehr Kredite, die Steuereinnahmen und die Ausgaben des Staates sinken – so kann ein Abwärtskreislauf in Gang kommen, bei dem die Wirtschaftsleistung mehr und mehr abnimmt.

Begriffe wie galoppierende Inflation legen nahe, dass die Geschwindigkeit eine Rolle spielt. Ab wann wird die Inflation zu einem Problem?

Das Tempo der Preisveränderung, gemessen anhand der sogenannten Inflationsrate, ist dabei sehr wichtig. Je höher allein die erwartete Inflation ist, desto größer sind auch die damit verbundenen Probleme. Bereits ein verlässlich niedriges Inflationsziel ist daher von großer Bedeutung. Die Europäische Zentralbank hat für das Eurosystem eine jährliche Inflationsrate von unter 2 % als Ziel für Preisstabilität festgelegt. Alles, was dauerhaft deutlich über diesen Wert hinausginge, wäre bereits ein Problem.

Was sind geld- und wirtschaftspolitische Steuerungsmöglichkeiten, um einer Deflation oder Inflation entgegenzuwirken?

Inflation und Deflation weisen einen sehr engen Zusammenhang zur Geldpolitik auf. Diese ist Aufgabe der Zentralbanken. Ihre wichtigsten Instrumente sind der Zins und die umlaufende Geldmenge.

Einem zu hohen Anstieg des Preisniveaus setzt die Zentralbank eine »restriktive« Geldpolitik entgegen: Die Zinsen steigen und das Geldangebot wird reduziert. Geldentwertung und Kaufkraftverlust verlangsamen sich, denn der relative Wert des Geldes nimmt zu. Ein verlässlicher Zielwert für die Inflation, wie ihn z. B. die Europäische Zentralbank anstrebt, spielt für den Erfolg eine wichtige Rolle.

Die Bekämpfung einer Deflation gestaltet sich schwieriger. Ist der bedenkliche Abwärtskreislauf erstmal in Gang gekommen, kann es lange dauern, ihn zu stoppen bzw. umzukehren. Eine »expansive« Geldpolitik, also sinkende Zinsen und eine höhere Geldmenge, reicht oft nicht mehr aus. Die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen muss dann zusätzlich durch Maßnahmen der Wirtschaftspolitik, z. B. durch Konjunktur- und Stützungsprogramme, angekurbelt werden. Dies kann vor allem für den Staat mit hohen Kosten verbunden sein, ohne dass es eine Erfolgsgarantie für ein Ende der Deflation gibt.

Wenn ihr mehr über das Inflationsjahr 1923 wissen wollt und darüber, mit welchen Tricks die Menschen ihr Überleben zur Zeit der Hyperinflation sicherten, dann sei euch Erich Maria Remarques Roman »Der schwarze Obelisk« ans Herz gelegt.

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