Hauptinhalt

Guten Tag, Steuerfahndung!

Sie kommen unangemeldet und kaum einer freut sich über ihren Besuch. In Sachsen sind rund 100 Steuerfahnder den Steuersündern auf der Spur.

Mann liest mit Lupe Zeitung. © Aar-Studio - iStockphoto.com

Und das überaus erfolgreich: Mehr als 1.000 steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren führten sie im Jahr 2021 durch. Aber was macht eigentlich ein Steuerfahnder so ganz genau?

Wir haben bei der sächsischen Steuerfahndung nachgefragt. Ein Mitarbeiter der Abteilung hat für uns ein wenig den Vorhang gelupft. Aus Sicherheitsgründen dürfen wir unseren Interviewpartner jedoch nicht zeigen.

Wie oft bekommen Sie noch freundlich einen Kaffee angeboten, wenn Sie sich als Steuerfahnder bei einer Firma vorstellen?

Das ist tatsächlich selten. Aber wir kommen ja auch nicht zum Kaffeetrinken.

Viele denken beim Thema Steuerfahndung an spektakuläre Razzien, bei denen Beamte kistenweise Ordner und Computer aus Büros heraustragen oder an konspirative Treffen mit anonymen Informanten an geheimen Orten. Wie aufregend ist Ihr Job tatsächlich?

Es ist wirklich ein spannender und vielfältiger Job. Wir decken zum Beispiel weitverzweigte Scheinunternehmen auf, die nur gegründet worden sind, um Steuern zu hinterziehen. Dabei arbeiten wir häufig mit anderen Behörden und Ermittlungsdiensten wie der Kriminalpolizei oder der Zollfahndung zusammen. Denn oft sind noch andere Straftaten im Spiel. Wir vernehmen Zeugen und Beschuldigte und werten mit modernster EDV-Technik beschlagnahmte Daten aus. Außerdem – und das ist ganz wichtig – hat man das gute Gefühl, etwas sehr Sinnvolles zu tun. Wir holen Geld zurück, mit dem Straßen, Schulen und Krankenhäuser gebaut und mit dem Erzieher und Polizisten bezahlt werden. So sorgen wir dafür, dass es gerecht zugeht beim Steuerzahlen.

Im Jahr 2021 deckte die sächsische Steuerfahndung einen Steuerschaden von mehr als 88 Millionen Euro auf. Auf die Umsatzsteuer entfällt dabei regelmäßig der größte Anteil. Wie kommt das?

Der Wandel in unserer Gesellschaft und Wirtschaft weg von der »Old Economie« hin zur Digitalisierung spiegelt sich auch in der Entwicklung der Steuerfahndung wider - etwa  bei der Bekämpfung von »Steuerkriminalität via Internet« oder grenzüberschreitendem Umsatzsteuerbetrug.

Die Bezeichnungen »Steuersünder« oder »Steuertrickser« klingen ein bisschen nach Kavaliersdelikt. Mal sündigen, das sagt man ja auch, wenn man sich einen Eisbecher mit Sahne gönnt. Ist Steuerhinterziehung ein Kavaliersdelikt?

Steuerhinterziehung ist eine Straftat. Dabei sind ähnliche Strafen vorgesehen wie zum Beispiel beim Betrug. Es drohen Geldstrafen und Gefängnisstrafen bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren. Außerdem müssen die hinterzogenen Steuern zurückgezahlt werden, natürlich mit Zinsen. Daran sieht man, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist. Von Steuerhinterziehung sprechen wir aber nur, wenn jemand mit Vorsatz handelt; wenn also zum Beispiel ein Unternehmen sogenannte Scheinrechnungen steuerlich geltend machen will, obwohl das Unternehmen die Leistung tatsächlich nie erhalten hat und diese auch nie bezahlt werden sollte. Oder wenn jemand sein Vermögen nur deshalb ins Ausland schafft, um es vor dem Finanzamt zu verstecken. Wer mal etwas aus Versehen übersieht, ist kein Steuerhinterzieher.

Steuerhinterziehung ist das einzige Delikt aus dem Strafrechtskatalog, bei dem man durch eine Selbstanzeige einer Strafe entgehen kann. Ist das nicht geradezu eine Einladung, es zu versuchen?

Eine Einladung zum Steuerhinterziehen ist das nicht. Denn der Täter muss sich selbst anzeigen, bevor ihm das Finanzamt auf die Schliche kommt und er muss die Steuern natürlich nachbezahlen, und zwar mit Zinsen, also den Schaden wiedergutmachen. Nur dann wird er straffrei, sonst wird er verurteilt. Die Selbstanzeige ist also keine Einladung, Steuern zu hinterziehen, sondern eine Einladung, freiwillig wieder ehrlich zu werden. Oft ist es übrigens tatsächlich zu spät für die Selbstanzeige und der Täter wird verurteilt.

Was ist das kurioseste Geldversteck oder der kurioseste Fall, den Sie in Ihrer Laufbahn bis jetzt erlebt haben?

Wir haben einmal einen Gartenteich abpumpen und ausheben lassen, weil wir darunter Gold vermuteten. Leider kamen wir zu spät. Das Gold war weg. Der Täter konnte aber überführt werden und wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

Geprägt von vielen Krimis aus dem Fernsehen stelle ich mir vor, dass Steuerhinterzieher häufig aus Rache angezeigt werden, zum Beispiel von einem Ex-Ehepartner oder einem missgünstigen Nachbarn. Woher bekommen Sie einen Anfangsverdacht?

Anzeigen von Ex-Ehepartnern oder auch Ex-Geschäftspartnern kommen immer wieder vor. Wir sehen sehr schnell, ob an der Anzeige etwas dran ist oder ob sich hier nur jemand rächen will. Wer also steuerehrlich ist, braucht keine Angst zu haben. Die wichtigsten Infos bekommen wir von den Kollegen des Innendienstes und der Betriebsprüfung in den Finanzämtern.

Was sind die klassischen Fallen, in die Steuerhinterzieher tappen und sich verraten?

Das verrate ich natürlich nicht. Mein Tipp: Ehrlich währt am längsten.

Wie sieht denn die typische Berufslaufbahn eines Steuerfahnders aus?

Abitur, Studium zum Diplom-Finanzwirt (FH), dann folgt mindestens ein Jahr Arbeit in unterschiedlichen Bereichen des Finanzamtes (z. B. Bearbeitung von Steuererklärungen oder Überprüfung von Steuerbescheiden nach Einsprüchen der Steuerbürger). Anschließend geht es für rund ein Jahr zur Betriebsprüfung. Erst dann geht es zur Steuerfahndung. Dort wird man gründlich eingearbeitet und bei ordentlichen Leistungen in die Steuerfahndung übernommen. Der Steuerfahnder ermittelt eigene Fälle und führt Durchsuchungseinsätze durch. In der Steuerfahndung kann man sich spezialisieren, z. B. auf die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs. Dabei geht es um international verzweigte Firmengeflechte und Lieferbeziehungen. Wer als Steuerfahnder überdurchschnittliche Leistungen zeigt und Führungsqualitäten hat, kann zum Sachgebietsleiter aufsteigen. Er leitet ein eigenes Team von rund neun Beamten.

zurück zum Seitenanfang